Durch alle Bauphasen der Siedlung Rangierbahnhof zieht sich eine Idee: ein Stadtviertel zu schaffen, das Identität bei den Bewohnern stiftet. Dazu soll die Baustruktur beitragen, aber auch die Versorgung mit kleinen Läden und Gastwirtschaften.
Die Siedlung Rangierbahnhof ist die älteste der Nürnberger Gartenstädte. Ähnlich wie in der Werderau oder der Nürnberger Gartenstadt sollte die Siedlung wie ein kleines Dorf wirken. Doch nirgends sonst verfolgte man diesen Gedanken architektonisch so ausgeprägt wie hier.
Wer die Siedlung von der U-Bahn-Station Bauernfeindstraße betritt, geht zunächst durch eine Art Stadttor. Die Häuser der ersten Bauphase besitzen alle einen Garten. In der Mitte der Siedlung wurden an der höchsten Stelle ganz bewusst zwei Kirchen errichtet, eine katholische und eine evangelische - wie im Dorf eben. Auf die Spitze treibt diese Anleihe an mittelalterliche Städte ein nicht zu unrecht „die Burg“ genannter Gebäudekomplex in der Paulistraße.
Unterschiedliche Baustile
Diese Struktur sollte das Viertel nicht nur optisch ansprechender machen. Sie sollte auch das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. In späteren Bauphasen wurden die Häuser einfacher, der Anteil der Mehrfamilienhäuser nahm zu. Der jüngste Teil des Viertels stammt aus den 1950er Jahren. Die grundsätzliche Idee wurde aber weiterverfolgt: Auch im neuesten Teil achtete man auf Gemeinschaftseinrichtungen und kleine Läden.
Leider steht ein Teil der Geschäfte heute leer. Zu verlockend ist die Möglichkeit in kurzer Zeit in den Einkaufsstraßen der Südstadt und der Altstadt zu sein oder - in die andere Richtung - im Einkaufszentrum Frankencenter. Für Eltern wichtiger sind aber die vier Kindergärten in der Siedlung oder die Tatsache, dass es im Viertel eine Grund- und Teilhauptschule gibt.
Alt und jung
Ähnlich wie in vergleichbaren Stadtteilen wie Zerzabelshof leben in der Siedlung Rangierbahnhof sowohl überdurchschnittlich viele alte Menschen als auch überdurchschnittlich viele Kinder. Der Grund ist einfach: Junge Familien und alte Menschen schätzen gleichermaßen den kleinstädtischen Charme, und wer einmal hier wohnt, zieht selten wieder weg.
In wohl kaum einem anderen Stadtteil wird das Bemühen der Architekten, eine kleinstadtähnliche Siedlung zu errichten, so deutlich wie hier. Wen die Nähe zum Rangierbahnhof nicht stört, findet hier architektonische Schätze aus der Zeit der Industrialisierung, eine noch immer gute Infrastruktur an Läden und sozialen Einrichtungen und eine gute Anbindung an die Innenstadt.
Tilman Weigel
Dieser Insider-Tipp spiegelt nur die Meinung des Autors wider.