Bauzinsen schrauben sich leicht nach oben
Die EZB kauft jetzt auch Schrottanleihen
Das kann sich hören lassen! Unser Zinskommentar als Podcast
Das Wichtigste in Kürze:
- Das Coronavirus zwingt die Zentralbanken zu Anleiheläufen in ungeahnter Höhe
- Tages- und Festgeldzinsen gehen leicht nach oben.
- Zusammen mit den Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen verteuern sich auch die Baufinanzierungszinsen leicht.
Hinweis: Blau = Verlinkte Fachbegriffe im Miniglossar am Ende des Artikels
Das Coronavirus hat die Zinsen und Märkte weiterhin fest im Griff. Die europäische Wirtschaft befindet sich in der Schwebephase zwischen Lockdown und verhaltener Öffnung der Wirtschaft.
Bundesanleihen rauf, Bauzinsen rauf – und das mitten in der "Öffnungsdiskussionsorgie"
In dieser Warteposition zwischen Abkühlung, Social Distancing, "Öffnungsdiskussionsorgie" (Angela Merkel) und einem langsamen, experimentellen Neustart mit Maskenpflicht auch in Deutschland, zuckte der DAX in Richtung 10.600 Punkte. Zum Vergleich: Mitte Februar stand er bei über 13.000 Punkten, um Mitte März auf rund 8.200 Punkte zu crashen. Ein ähnliches Bild zeigt sich an den Börsen weltweit.
Sogar die tief im Keller liegenden Kurse der zehnjährigen Bundesanleihen, die am 9. März 2020 bei knapp 0,9 Prozent im Minus lagen, stiegen an: Am 27. April lagen sie bei minus 0,46 Prozent. Ihr Aufschwung zog auch die Bauzinsen mit sich, weil beide Werte eng miteinander verzahnt sind (siehe ImmoScout24-Zinsbarometer)
Mit Schrottanleihen aus der Krise?
Die meisten Länder sind auf dem Weg in eine Rezession. Mit den Krisengeldern der Staatsregierungen, den Soforthilfen und günstigen Krediten wächst auch die Bedeutung der Geldpolitik der Zentralbanken. Sie sollen dafür sorgen, dass sich die Refinanzierungsbedingungen nicht merklich verschlechtern. Wie gelingt das, wenn man nicht die Notenpresse anschmeißen will? Die Europäische Zentralbank (EZB) kann die Zinsen nicht weiter senken, muss aber gleichzeitig ihr Anleihenaufkaufprogramm weiter hochfahren.
Deshalb werden neuerdings auch sogenannte "Schrottanleihen" aufgekauft. Dabei handelt es sich um Anleihen, die keine gute Bewertung der bekannten Ratingagenturen erhalten haben. Genauer: Sank die Bewertung der Papiere nach dem 7. April unter die "befriedigende" Bonität BBB-, wurde aber davor höher bewertet, kommen sie dennoch für den Ankauf infrage. Damit will die EZB verhindern, dass vor allem Anleihen aus Italien und Spanien, die stark unter der Corona-Pandemie leiden, nicht als völlig wertlos deklassiert werden.
Die Fed bläst ihre Bilanz auf
Ähnlich war zuvor auch schon die amerikanische Fed vorgegangen. Deren ohnehin schon aufgeblähte Bilanz vergrößerte sich wegen der Hilfsmaßnahmen um pralle zwei Billionen US-Dollar auf insgesamt 6,5 Billionen. Bankenexpertinnen und -experten staunen nicht schlecht, denn dies stellt die Aktionen nach der Lehman-Pleite und Finanzkrise von 2008 weit in den Schatten.
Festgeld- und Tagesgeldzinsen steigen wieder leicht
Ein weiteres Phänomen lässt sich derzeit beobachten: Die Zinsen für Tagesgelder und Festgeld steigen wieder. Zwar kann man damit noch keine großen Sprünge machen, aber angesichts der Tatsache, dass wir vor der Krise sogar über Negativzinsen für Einlagen sprachen, ist die Entwicklung derzeit für Sparende durchaus positiv. Insbesondere wenn Aktienanlagen ein No-Go sind, kann es sinnvoll sein, die Anlage des eigenen Vermögens zu überdenken und jetzt vielleicht doch ein Tagesgeldkonto anzulegen. 0,35 Prozent Zinsen sind besser als Negativzinsen. Vor allem für Bauwillige, die beispielsweise ihren Eigenanteil bis zur Finanzierung nicht versauern lassen und trotzdem flüssig bleiben wollen, sollte der Blick in die einschlägigen Zinsvergleiche gehen.
ImmoScout24-Zinsbarometer: Überwiegend geht es leicht nach oben
Das ImmoScout24-Zinsbarometer* zeigte im vergangenen Monat ein uneinheitliches Bild. Erneut strebten die aktuellen Werte für die fünf- und zehnjährige Zinsbindung zusammen und liegen derzeit fast auf einem Niveau. Die Kredite mit fünfjähriger Laufzeit erreichten Ende April den gleichen Stand wie im März und notierten bei 0,60 Prozent. Hier gab es also lediglich eine gleichbleibende Seitwärtsbewegung. Die Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung gaben hingegen um 0,02 Prozentpunkte nach: Statt 0,64 Prozent sind es nun 0,62 Prozent.
Die 15-jährigen Darlehen verteuerten sich um 0,05 Prozentpunkte auf 0,94 Prozent. Auch bei den Zinsen für die langfristige Zinsbindung von 20 Jahren ging es aufwärts, wenn auch nur um einen 0,01 Prozentpunkt: Derzeit kosten langfristigen Baukredite 1,09 Prozent.
Niedriger Zins, hohe Anfangstilgung
Wer sich aktuell für eine Baufinanzierung entscheidet, sollte sich die aktuellen Konditionen möglichst lange sichern. Dabei gilt: Je niedriger das Eigenkapital ist, desto länger darf die Zinsbindung sein. Bei den anfänglichen Tilgungsraten können alle, die eine Immobilie kaufen oder bauen wollen, dafür gern klotzen: Drei Prozent sollten mindestens gewählt werden, um auch einen substanziellen Teil des Darlehens in angemessener Zeit zu tilgen.
Niedrige Zinsen führen zu einer paradoxen Situation: Je niedriger der Zins, desto länger dauert die Finanzierung bei einer identischen Anfangstilgung. Das liegt daran, dass die Raten gleichbleiben und sich das Verhältnis von Tilgung und Zinsen in der Rate über den Zeitablauf verändert: Zunächst zahlt man viele Zinsen und weniger Tilgung, später ist es umgekehrt. Wenn die Zinsen aber sehr niedrig sind – so wie aktuell – und man auch noch eine niedrige Anfangstilgung wählt, kann die Rückzahlung sehr, sehr lange dauern. Deshalb: Lieber mit hoher Tilgung starten, sofern man es sich leisten kann.
Verschnaufpause dank Zahlungsaufschub
Die Gesetzgebung ermöglicht Kreditnehmenden seit Anfang April die Stundung ihrer Kredite, also die Aussetzung von Zahlungen. Die nach eigenen Aussagen gut ins Jahr 2020 gestartete Deutsche Bank vermeldete am 26. April, dass bereits in den ersten zwei Wochen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes rund 50.000 Anträge bei der Bank eingegangen seien – die Hälfte davon waren Baufinanzierungen. Erfreulich: Die überwiegende Anzahl der Anträge seien bereits bearbeitet und bewilligt. So ein beherztes Vorgehen verschafft all denen, die gerade eine Immobilie kaufen oder bauen, eine dringend nötige Verschnaufpause.
*Hinweis: Bei den Zinsen handelt es sich um Durchschnittswerte der bei ImmoScout24 gelisteten Baufinanzierer zum angegebenen Stichtag. Für die Kalkulation wurden folgende Modelldaten verwendet: Angestellte/r, Darlehenssumme: 200.000 Euro, Beleihungsauslauf: 80 Prozent, Tilgungsrate: 3 Prozent.
Fed ist die Abkürzung für Federal Reserve. Damit ist die Zentral- oder Notenbank der USA gemeint.
Geldpolitik Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.
Leitzinsen Diese von der Zentralbank eines Landes festgelegten Zinsen geben an, zu welchen Konditionen sich Kreditinstitute bei der Noten- bzw. Zentralbank Geld leihen können. Sie sind ein wichtiges Steuerungsmittel der Geldpolitik.
Kerninflation: Ein volkswirtschaftliches Konzept, das bestimmte Güter aus der Berechnung der Inflationsrate ausklammert. Dabei handelt es sich meist um die Preisschwankungen für Lebensmittel und Produkte aus dem Energiesektor, die saisonal schwanken, aber deren Preisänderungen nicht auf die Volkswirtschaft selbst zurückzuführen sind.
Ratingagenturen: Dies sind Unternehmen, welche die Kreditwürdigkeit anderer Unternehmen und Staaten bewerten. Ist die Wahrscheinlichkeit von Kreditrückzahlungen hoch, erhalten die betreffenden Unternehmen/Staaten ein gutes Rating. Das höchste wird als "Triple A", also AAA bezeichnet. Zu den bekanntesten Ratingagenturen gehören "Standard & Poor's", "Moody's" und "Fitch".
Rezession: Eine Phase im Konjunkturzyklus (daneben gibt es noch Aufschwung, Boom und Depression). Man spricht üblicherweise von einer Rezession, wenn sich die Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen abschwächt oder zumindest gleichbleibt.
Seitwärtsbewegung: Von Seitwärtsbewegungen spricht man, wenn sich der Kurs oder die Zinsen weder nach oben noch nach unten bewegen, sondern sich gleichmäßig entwickeln.
Irrtum vorbehalten