Ist das nun gut oder schlecht? Kreuzwertheim glänzt durch außerordentliche Randlage: Nur ein halber Main trennt die Gemeinde vom Musterländle Baden-Württemberg und macht seine Bewohner zu regelmäßigen Grenzgängern.
Die Verwandtschaft zu Wertheim ist schon wegen des gleichlautenden Namens nicht zu leugnen - eigentlich ist Kreuzwertheim eher ein Stadtteil der baden-württembergischen Stadt auf der anderen Main-Seite. Geschichtlich entstand zwar zunächst das rechtsmainische Kreuzwertheim, der linksmainische Teil wuchs aber rasanter. Die Wertheimer Burg ragt weit über die Silhouette Kreuzwertheims hinaus - so gaukelt die bayerische Marktgemeinde auf den ersten Blick eine Größe vor, die sie verwaltungsrechtlich nicht hat. Der Zufall des Flusslaufes trennte eben, was zusammengehörig aussieht.
Nicht im Fokus
Im Landkreis hat man gehörig um Aufmerksamkeit zu buhlen: Neben den ungleich größeren Städten Lohr, Gemünden, Karlstadt und Marktheidenfeld nimmt sich Kreuzwertheim mit seinen gut 4.000 Einwohnern (einschließlich der angeschlossenen Unterwittbach, Wiebelbach und Röttbach) eher bescheiden aus. Und so haben die meisten MSP-ler die Marktgemeinde wohl gar nicht auf der Karte und wundern sich bei jeder Bundestagskandidaten-Aufstellung aufs Neue, dass das Gebiet noch zum Land- und Wahlkreis gehört.
Und die Kreuzwertheimer selbst lehnen sich auch eher an die Nachbarstadt an: Dort gibt es Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten, einen Bahnhof der Strecke Aschaffenburg-Crailsheim, Kabarett und Kleinkunst, Glasmuseum, Badische Landesbühne und Kino. Alles, was sich unbürokratisch erledigen lässt, wird eher in Wertheim erledigt als im 13 Kilometer entfernten Marktheidenfeld.
Pragmatismus statt Bayernstolz
Selbst vor einem Schulwechsel von einem Bundesland ins nächste scheut man als Kreuzwertheimer nicht unbedingt zurück: Balthasar-Neumann-Gymnasium in Marktheidenfeld oder Friedrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Wertheim? Realschulabschluss in Bayern oder in Baden? Da siegt nach Kindergarten und Grundschulbesuch in Kreuzwertheim selbst oder in den Ortsteilen oft der Pragmatismus zugunsten des kürzeren Schulwegs über den Stolz aufs bayerische Bildungswesen.
Und schließlich sorgen die Kreuzwertheimer selbst für sich: Ein reges Vereinsleben mit üblichen Verdächtigen (Feuerwehr, Bayern-Fanclub, Männergesangsverein, Fußball, Tennis, Tischtennis usw.) und selteneren Blüten wie Jet-Boot-Club, Guggemusik oder Theater-Ring überragen dörfliches Niveau. Und anlässlich 1.000 Jahren Marktrecht lässt man es 2009 auch mal richtig krachen.
Hinzu kommt eine hübsch-idyllische Lage dort, wo sich Spessart und Odenwald berühren, wo Tauber und Main sich treffen: Da ist es hügelig, da ist es grün, da ist es heimelig und altehrwürdig, einfach schön.
Kreuzwertheim profitiert eher von seiner Randlage im Landkreis, als dass diese zum Nachteil geriete: Die 25.000-Einwohner-Stadt Wertheim ist ganz nah und doch lebt man - getrennt vom Main - eigentlich in einem beschaulichen Dorf.
Volker Tzschucke
Dieser Insider-Tipp spiegelt nur die Meinung des Autors wider.