Ein kleines bisschen demütigend muss das sein: 1972 noch sollte Lohr am Main Kreisstadt des bei der bayerischen Gebietsreform entstehenden Großkreises Mittelmain, später Main-Spessart, werden - doch 1973 hieß der Gewinner Karlstadt.
So vollkommen ganz hat man das in Lohr noch nicht verwunden, der Vergleich mit dem Jetzt-Sitz von Kreistag und Landratsamt wird gern gezogen: Mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, höhere Steuereinnahmen, bessere Kaufkraft - tatsächlich spricht einiges dafür, Lohr als heimliches wirtschaftliches Herz des Landkreises zu verstehen. Schließlich sitzen hier auch die Hauptstelle des Finanzamts, eine große IG-Metall-Bildungsstätte und das Psychiatrische Bezirkskrankenhaus.
Schneewittchen und Spessarttor
Darüber hinaus aber auch einige Großunternehmen wie Bosch-Rexroth und Hunger-Hydraulik. Die Maggi-Flasche kam eine kleine Ewigkeit aus Lohr und noch früher angeblich auch Schneewittchen, die hier geboren sein soll, weswegen man sich lange Jahre nach der Märchenfigur Schneewittchenstadt benannte. Entsprechend als ehrwürdiges Schmuckstück präsentiert sich die Altstadt mit Schloss, Türmen, engen Gassen, altem Rathaus - alles sehr hübsch alt und kleinstädtisch und aufs Beste saniert.
Heute firmiert Lohr in offiziellen Marketingverlautbarungen eher als "Spessarttor", vermutlich, weil es sich so schön reimt. Und natürlich, weil es stimmt. Einige der acht eingemeindeten Ortsteile, vor allem Ruppertshütten, liegen mitten im Wald. Der gehört zu großen Teilen der Stadt und wird von dieser auch bewirtschaftet. Und die bayerische Forstschule gibt es in Lohr auch.
Tanz, Gesang und Altstadtfest
Wer noch nicht so weit ist, sich für Bäume zu interessieren, ist in den fünf Grundschulen in den verschiedenen Ortsteilen gut aufgehoben. Haupt- und Realschule, Gymnasium, mehrere Berufs- und zwei Förderschulen bereiten auf den Ernst des Lebens vor, und wenn er eingetreten ist, sorgen Volkshochschule und Musikschule für Entspannung. Gleiches nehmen zahlreiche Restaurants, Imbisse, Cafés vor allem in der Lohrer Altstadt, ein Kino, Schwimmbäder und die zehntägige Spessartfestwoche für sich in Anspruch. Ein wenig näher an der Hochkultur als bei diesem Volksfest ist man beim Spessartsommer, einer Reihe von Veranstaltungen mit Tanz, Gesang, Theater und Altstadtfest.
Verkehrstechnisch ist Lohr mit seiner Lage am Schnittpunkt von B 26 und B 276 recht gut angebunden. Zwar muss man sich durch einige Serpentinen winden, um die Autobahn A 3 zu erreichen, hat man das geschafft, geht’s dafür aber zügig Richtung Würzburg und Aschaffenburg. Gleiches gilt für die Zuganbindung - Lohr wird tagsüber stündlich bedient mit Regionalexpressen in die beiden größten Städte Unterfrankens. Auch der Flughafen Frankfurt ist nicht allzu weit entfernt.
In Lohr findet sich gut saniertes Altstadthaus, Bauerngehöft, hübsches neues Einfamilienhaus über dem Fluss oder junge Mietskaserne - für jeden Geschmack etwas dabei. Nur einen Nachteil hat’s, nach Lohr zu ziehen: Man muss sich als "Schnüdel" (Zugereister) bezeichnen lassen, ein "Mopper" (geborener Lohrer) kann daraus nicht werden.
Volker Tzschucke
Dieser Insider-Tipp spiegelt nur die Meinung des Autors wider.