Keine Trendwende bei den Bauzinsen in Sicht

Zinskommentar August 2017: Die Europäische Zentralbank belässt den Leitzins weiterhin bei null Prozent. Um konkurrenzfähig zu bleiben, lockern die Banken ihre Kreditrichtlinien - das lohnt sich für Baufinanzierer.


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Das Wichtigste in Kürze:

  • In ihrer Zinssitzung am 20. Juli beließ die EZB die Leitzinsen bei null Prozent.
  • Die Baufinanzierungszinsen sind konstant niedrig.
  • Banken lockern ihre Kreditrichtlinien: Bauherren kommen deshalb unter Umständen leichter an Kredite.

Hinweis: Blau = Verlinkte Fachbegriffe im Miniglossar am Ende des Artikels

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Zinswende – das klingt wie ein Schimpfwort, zumindest für die Europäische Zentralbank (EZB). Während die Ökonomen gegen die Zentralbank Sturm laufen, bleibt ihr Chef Mario Draghi gelassen: Die Leitzinsen verharren bei null Prozent. Für Kreditnehmer ein gutes Zeichen, denn auch die Bauzinsen bleiben vorerst im Keller.   

Ernüchternde Zinssitzung


Am 20. Juli 2017 blickte die Finanzbranche mit angehaltenem Atem auf die Zinssitzung der EZB: Kommen die Währungshüter der Eurozone endlich aus dem Knick und heben die Leitzinsen an – so wie es die Fed in den USA schon länger praktiziert? Das Ergebnis der EZB-Konferenz war ernüchternd: Alles bleibt, wie es ist. Soll heißen: Der Leitzins, zu dem sich die Banken Geld bei der EZB leihen, bleibt unverändert bei null Prozent. Wollen Banken ihrerseits Geld bei der Zentralbank parken, müssen sie dafür sogar einen Strafzins von 0,4 Prozent zahlen.

Blick in die Glaskugel: Wann kommt die Zinswende?


Schon eine Woche vor der EZB-Sitzung blickten einige Volkswirte in die Glaskugel. Auf die Frage der Nachrichtenagentur Reuters, wann die EZB damit beginnen würde, ihre ultralockere Geldpolitik zu beenden, waren 72 Prozent der befragten Ökonomen der Überzeugung, dass es im September so weit sei. Ob es dann wirklich passiert, weiß keiner: Immerhin liegen der EZB dann die neuesten Prognosen zur Entwicklung der Konjunktur und der Teuerungsrate im Euroraum vor. Bereits im Juni hatte die EZB in ihrem Bericht den Satz gestrichen, mit dem sie sich zuvor weitere Zinssenkungen vorbehalten hatte. Ein winziges Signal in Richtung Zinswende?

Die Inflation mickert in der Eurozone


Vor allem das billionenschwere Anleihenaufkaufprogramm solle, so mutmaßen Experten, dann merklich heruntergefahren werden. Die Diskussion darüber werde „im Herbst geführt“, hieß es aus den Reihen der EZB. Der Satz, dass man bereit sei „das Programm im Hinblick auf Umfang und/oder Dauer auszuweiten" steht weiterhin im Abschlussbericht. Derzeit kauft die Zentralbank monatlich Anleihen mit einem Volumen von 60 Milliarden Euro auf. Böse Zungen unken, dass EZB-Chef Draghi schon allein deswegen am Anleihenprogramm festhalte, weil die EZB als einziger Player am Markt Anleihen seines Heimatlandes Italien aufkaufe. Bliebe dies aus, könnten in Rom die Zinsen merklich steigen. Die Inflation in der Eurozone lag im Juni bei 1,3 Prozent, die Kerninflation bei 1,1. Das entspricht nicht dem Ziel von knapp zwei Prozent. Es erscheint also in dieser Hinsicht immer noch opportun, den Markt mit Geld zu fluten.    

Billiges Baugeld: Banken lockern ihre Kreditstandards


Für Bauherren, die jetzt ein Darlehen für ihre Immobilie benötigen, sind die aktuellen Bedingungen nach wie vor rosig. Nicht nur die Zinsen verharren auf niedrigem Niveau, auch die Kreditstandards (siehe Kasten) der Banken wurden im zweiten Quartal 2017 weiter gelockert. Die EZB veröffentlichte in ihrer „Umfrage zum Kreditgeschäft“ im Euroraum, dass die 124 befragten Banken ihre Margen für Unternehmens- und Immobilienkredite reduziert hätten. Damit knabbern sie auch an ihren Risikoaufschlägen. Verantwortlich dafür ist vor allem der hohe Wettbewerbsdruck zwischen den Kreditinstituten. Für Kreditnehmer bedeutet das: Sie erhalten leichter frisches Baugeld. Die Maßnahmen der EZB, billiges Geld in die Wirtschaft zu drücken, fruchten also auch auf dieser Ebene.

Kreditstandards der Banken

Als Kreditstandards oder Kreditrichtlinien bezeichnet man die internen Leitlinien, die Banken für die Vergabe von Krediten anwenden. Sie werden festgelegt, noch bevor es zu Verhandlungen über die konkrete Ausgestaltung von Kreditbedingungen kommt. In ihren Standards legt die Bank fest, welche Kredite die Bank gern vergeben, in welchen Sektoren und Ländern sie aktiv werden möchte und welche Sicherheiten sie akzeptiert. In einer Kreditwürdigkeitsprüfung stellt sie beispielsweise bei einem Baudarlehen fest, ob sie überhaupt gewillt ist, dem Bauherrn einen Kredit zu geben – und zu welchen Konditionen.


ImmobilienScout24-Zinsbarometer: Bauzinsen stabil


Günstige Zinsen erfreuen das Bauherrenherz – immer noch. Im Vergleich zum Vormonat machten die Kurse des ImmobilienScout24-Zinsbarometers* (siehe Diagramm) einen kleinen Ausschlag nach oben. Die Zinsen für Darlehen bei einer 10-jährigen Zinsbindung (Stichtag: 25.7.2017) sind mit 1,30 Prozent um 0,10 Prozent gestiegen. Die Darlehen mit 20-jähriger Bindungsfrist sind weitgehend stabil: Sie bewegten sich von 1,87 Prozent auf 1,90 Prozent. Darlehen mit der kurzen Fünfjahresbindung haben ihren Höchstwert vom April (1,0 Prozent) jedoch überstiegen: 1,04 Prozent sind heute fällig, im Juni waren es 0,93 Prozent.

Doch die Kreditzinsen sind nicht alles. Darauf machte jüngst die Stiftung Warentest aufmerksam: Während die Effektivzinsen in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich sanken, verharrten die Bereitstellungszinsen der meisten Banken auf gleich hohem Niveau: bei etwa 3,0 Prozent. Da kann einiges zusammenkommen, wenn man sich den Kreditbetrag in mehreren Tranchen auszahlen lässt. Deshalb der Tipp: Nicht nur auf das Offensichtliche achten, sondern auch solche Zusatzkosten einkalkulieren.


*Hinweis: Bei den Zinsen handelt es sich um Durchschnittswerte der bei ImmobilienScout24 gelisteten Baufinanzierer zum angegebenen Stichtag. Für die Kalkulation wurden folgende Modelldaten verwendet: Angestellter, Darlehenssumme: 200.000 Euro, Beleihungsauslauf: 80 Prozent, Tilgungsrate: 3 Prozent.  


Miniglossar - wichtige Fachbegriffe in diesem Artikel


Anleihenaufkaufprogramm: Seit März 2015 kauft die EZB in großem Umfang europäische Staats- und Unternehmensanleihen. Sie will Banken dazu veranlassen, Darlehen an Unternehmen und Privathaushalte auszugeben, um die Konjunktur anzukurbeln.

 

Fed ist die Abkürzung für Federal Reserve. Damit ist die Zentral- oder Notenbank der USA gemeint.

 

Geldpolitik: Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.

 

Kerninflation: Ein volkswirtschaftliches Konzept, das bestimmte Güter aus der Berechnung der Inflationsrate ausklammert. Dabei handelt es sich meist um die Preisschwankungen für Lebensmittel und Produkte aus dem Energiesektor, die saisonal schwanken, aber deren Preisänderungen nicht auf die Volkswirtschaft selbst zurückzuführen sind.

 

Leitzinsen: Diese von der Zentralbank eines Landes festgelegten Zinsen geben an, zu welchen Konditionen sich Kreditinstitute bei der Noten- bzw. Zentralbank Geld leihen können. Sie sind ein wichtiges Steuerungsmittel der Geldpolitik.

 

Marge: Die Preisspanne zwischen An- und Verkaufspreis beispielsweise eines Wertpapiers oder der Zinsaufschlag, den eine Bank von ihren Darlehensnehmern verlangt, um damit das von ihr zu tragende Kreditrisiko und weiterer Kosten abzusichern.

 

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