Keine kurzfristige Trendwende bei den Bauzinsen
Zinskommentar Mai 2017
An der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank ändert sich vorerst nichts. Bleiben damit auch die Darlehen niedrig?
Das Wichtigste in Kürze:
- Bauzinsen bleiben mittelfristig stabil, könnten im Jahresverlauf jedoch steigen.
- In den USA wurden die Leitzinsen erneut erhöht.
- Die EZB bleibt bei ihrer Niedrigzinspolitik.
Hinweis: Blau = Verlinkte Fachbegriffe im Miniglossar am Ende des Artikels
In der Eurozone wird der Ruf nach einer Zinswende immer lauter. Doch die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt eisern und hat einem raschen Ende der Niedrigzinspolitik eine Absage erteilt. Gut für die Baufinanzierung: Auch die Darlehen belieben niedrig.
Es ist etwas faul – zwar nicht im Staate Dänemark, wohl aber in der Europäischen Union. Das meinen zumindest die Vertreter einiger deutscher Bankenverbände. Kurz bevor sich Anfang März der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) zu seinen Verhandlungen über die zukünftige Geldpolitik in der EU zusammensetzte, forderte beispielsweise der Bundesverband deutscher Banken (BdB) ein Ende der Niedrigzinspolitik (siehe Kasten) der EZB: „Die geldpolitische Wende im Euroraum darf nicht länger tabuisiert werden“, hieß es da.
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Gebracht hat die ganze Aufregung indes nichts. Der EZB-Rat einigte sich auf die Fortführung der Niedrigzinspolitik, soll konkret heißen: Nullzinspolitik. Geschäftsbanken können sich weiterhin Geld von der EZB leihen, ohne dafür Zinsen zu zahlen. Wollen sie Geld bei der EZB parken, müssen sie sogar einen „Strafzinz“ von 0,40 Prozent zahlen. Das stinkt den Banken natürlich gewaltig: Lieber wäre es ihnen, sich Geld von der EZB zu leihen und diese Zinsen über einen entsprechenden Gewinnaufschlag bei ihren Kreditkunden wieder hereinzuholen – anstatt für die bloße „Lagerung“ von Reserven Zinsen zu zahlen.
Was bringt die Niedrigzinspolitik der EZB?
Unter der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank versteht man alle Maßnahmen, das Zinsniveau auf ein sehr niedriges Niveau zu senken und dort zu halten. Gegenwärtig können sich Geschäftsbanken Geld kostenlos (Zinssatz: 0,00 Prozent) von der EZB leihen. Dies soll ein Anreiz sein, das Geld ebenfalls günstig an Kreditnehmer auszugeben und so viel Geld in die Wirtschaft zu pumpen und sie in Schwung zu bringen. Die Banken sollen dazu beeinflusst werden, Kredite zu günstigen Konditionen auszugeben und so die Nachfrage nach Krediten zu steigern. Unternehmen und private Konsumenten sollen ihr Geld ausgeben – für Konsum und Investitionen. Kehrseite der Medaille: Kreditinstitute geben kaum noch Zinsen für die Geldanlage.
Anders ist es in den USA. Dort hat die anziehende Inflation und die gute Situation auf dem Arbeitsmarkt die amerikanische Notenbank Fed dazu bewogen, die Leitzinsen im März erneut zu erhöhen – auf 0,75 bis 1,00 Prozent. Zu diesem Zinssatz können sich die amerikanischen Banken gegenseitig Geld leihen. Noch dazu hat die Fed angedeutet, dass im Jahr 2017 weitere Zinsschritte nach oben erfolgen könnten, wenn sich die amerikanische Konjunktur weiterhin so prächtig entwickelt. Die Politik des US-Präsidenten Trump wird hierbei eine wichtige Rolle spielen. Seine Glaubwürdigkeit hat in den letzten Wochen, insbesondere aufgrund des Debakels um die Abschaffung von „Obama Care“, arg gelitten. Ob sein ebenfalls höchst umstrittenes wirtschaftspolitisches Programm langfristig trägt, ist vollkommen offen.
Ein Gutes hat es: Weil die Zinsen für Erspartes weiterhin schwächeln, lockt „Betongold“ als gute Geldanlage. Die Zinsen für Immobilienkredite werden es den Bauherren jedenfalls nicht vermiesen. Zwar sind die Traumkonditionen für Baugeld mit zehnjähriger Zinsbindung aus dem Sommer 2016 (damals lagen sie bei rund einem Prozent) heute nicht mehr greifbar, aber rund 1,5 Prozent sind nach wie vor sehr lohnend, wenn man seinen Traum vom eigenen Haus verwirklichen möchte.
Die Experten der größten deutschen Baufinanzierer sehen die Baufinanzierungszinsen mittelfristig stabil. Gegen Ende des Jahres und zum Übergang nach 2018 könnte sich das allerdings ändern: Immerhin läuft Ende 2017 das Anleihenaufkaufprogramm der EZB aus, was ein wichtiges Signal für eine Trendwende sein könnte. Wer es sich leisten kann, sollte bei einem frischen Darlehen eine möglichst hohe Anfangstilgung wählen: Hierdurch hält er die Restschuld für die Anschlussfinanzierung möglichst klein. Auch ein Forwarddarlehen, dass die aktuellen günstigen Zinsen sichert, ist eine gute Option.
Irrtum vorbehalten.
Anleihenaufkaufprogramm Seit März 2015 kauft die EZB in großem Umfang europäische Staats- und Unternehmensanleihen. Sie will Banken dazu veranlassen, Darlehen an Unternehmen und Privathaushalte auszugeben, um die Konjunktur anzukurbeln.
Betongold populäre Umschreibung für Immobilien: Der Begriff soll verdeutlichen, dass diese in Krisenzeiten als sichere Anlage gelten.
Fed ist die Abkürzung für Federal Reserve. Damit ist die Zentral- oder Notenbank der USA gemeint.
Geldpolitik Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.
Obama Care ist eine populäre Umschreibung für die vom ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama verabschiedete Gesundheitsreform. Die offizielle Bezeichnung ist „Patient Protection and Affordable Care Act“. Der amtierende US-Präsident Donald Trump hatte angekündigt, die Gesundheitsreform zurückzunehmen, war damit jedoch im März 2017 gescheitert.