Expertentipp vom Hauseigentümerverein Berlin e.V.
Ist die Kündigung eines Mietvertrages über eine 120 Quadratmeter große Wohnung für eine Berufsanfängerin zulässig? Das Landgericht Berlin fällte hierzu ein Urteil.
Der HEV-Tipp wird präsentiert von Britta Nakic (Juristin) vom HAUSEIGENTÜMERVEREIN BERLIN e.V. – Ihr bundesweiter Ansprechpartner für Fragen rund um Eigentum und Vermietung.
Eigenbedarfskündigungen sind Beratungsschwerpunkt
Aus unserer Beraterpraxis wissen wir, wie wichtig für Vermieter die Möglichkeit einer Eigenbedarfskündigung bei unbefristeten Verträgen ist.
Benötigt der Vermieter die Wohnung selbst, will er ohne größere rechtliche Hürden sein Eigentum wieder nutzen können.
Die Eigenbedarfskündigung für ein volljähriges Kind zur Gründung eines eigenen Hausstandes ist grundsätzlich möglich.
Bei der Kündigung einer 4- Zimmer Wohnung (120 m²) für eine junge Berufsanfängerin kann dies jedoch zumindest fraglich sein.
Der Fall: Vermieter kündigt große Wohnung (120 m²) für die 19 Jährige Tochter
Der Vermieter machte für seine Tochter Eigenbedarf geltend und kündigte den Mietern das Mietverhältnis aus diesem Grunde fristgerecht. Die Tochter möchte aus dem elterlichen Hause ausziehen und einen eigenen Hausstand gründen. Zwar stünden noch zwei kleinere, ebenfalls vermietete, Wohnungen im Hause des Vermieters zur Verfügung. Diese seien aber im Erdgeschoß gelegen, was zu gefährlich für die junge Frau sei. Erst später wurde vorgetragen, dass die junge Frau einen Freund habe und mit diesem mittelfristig die Gründung einer Familie plane.
Mieter wehren sich und erhalten Post vom Gericht
Die Mieter halten den Wohnbedarf der junge Frau für viel zu hoch: eine junge Berufsanfängerin benötige keine 4-Zimmerwohnung. Außerdem sei der Eigenbedarf nur vorgeschoben, weil es bereits diverse Mietstreitigkeiten gab und die Mieter für die (bisher unsanierte) Wohnung nur eine geringe Miete zahlen würden. Da die Mieter nicht auszogen, erhob der Vermieter eine Räumungsklage.
Urteil 1. Instanz: Mieter müssen ausziehen
Das zustände Amtsgericht sah das Mietverhältnis aufgrund der Eigenbedarfskündigung als begründet an und gab der Räumungsklage des Vermieters statt. Die Mieter legten gegen dieses Urteil fristgerecht Berufung ein.
Urteil 2. Instanz: Mieter dürfen bleiben
Das Berufungsgericht dagegen hielt zwar den Eigenbedarf der inzwischen 21-Jährigen für gegeben. Allerdings liege im konkreten Fall ein weit überhöhter Wohnbedarf vor, der eine Eigenbedarfskündigung nicht rechtfertigen könne. Eine Befragung der Tochter hatte ergebe, dass diese lediglich die Mitnahme eines Bettes, Schrankes und Schreibtisches aus ihrem bisherigen Kinderzimmer plane. Weitere Gedanken über die zukünftige Ausstattung der Wohnung habe sie sich noch nicht gemacht. Insgesamt werde der Eigenbedarf in diesem konkreten Fall nicht von „rechtlich billigungswerten" Erwägungen getragen.
HEV-Tipp:
Ein geltend gemachter Eigenbedarf muss stets plausibel dargelegt werden und vernünftig erscheinen. Lassen Sie sich vor Ausspruch der Kündigung rechtlich beraten.
Sämtliche relevante Gründe sind bereits im Kündigungsschreiben darzustellen. Denn weitere Umstände werden nur berücksichtigt, wenn sie später entstanden sind (§ 573 Abs. 3 BGB).
LG Berlin, Urteil vom 20.01.2021, AZ 64 S 50/20
Irrtum vorbehalten, aktualisiert am 11. März 2021
Dieser Artkel könnte Sie auch interessieren: Rechtssichere Eigenbedarfskündigung
Die ImmoScout24 Redaktion verfasst jeden Beitrag nach strengen Qualitätsrichtlinien und bezieht sich dabei auf seriöse Quellen und Gesetzestexte. Unsere Redakteur:innen haben ein hohes Niveau an Immobilienwissen und informieren Sie als Expert:innen mit informativen und vertrauenswürdigen Inhalten. Wir verbessern und optimieren unsere Inhalte kontinuierlich und versuchen, sie so leserfreundlich und verständnisvoll wie möglich aufzubereiten. Unser Anliegen ist es dabei, Ihnen eine erste Orientierung zu bieten. Für persönliche Anfragen Ihrer rechtlichen oder finanziellen Anliegen empfehlen wir Ihnen, eine:n Rechts-, Steuer-, oder Finanzberater:in hinzuzuziehen.