Seit die Stadt Überlingen am Bodensee 1972 als erste Kommune die Zweitwohnungssteuer eingeführt hat, hat sich diese Steuer als Einnahmequelle unter den Gemeinden stark ausgebreitet. Der steuerliche Tatbestand ist das Innehaben einer weiteren Wohnung neben der Hauptwohnung. Ob die Wohnung gemietet ist oder vom Eigentümer selbst bewohnt wird, spielt dabei keine Rolle. Die Steuer bemisst sich dabei entweder an der tatsächlichen oder vergleichbaren Jahreskaltmiete oder Jahresrohmiete.
Steht die Zweitwohnung aus nachvollziehbaren Gründen leer, entfällt u. U. die Steuerpflicht.
Die Städte und Gemeinden begründen die Erhebung der Zweitwohnungssteuer oft damit, dass für Personen mit Nebenwohnsitz für die Kommunen kein Geld des kommunalen Finanzausgleichs anfällt, aber die meist unbewohnten Wohnungen die Infrastruktur der Gemeinden belasten. Mit der Zweitwohnungssteuer haben sich aber viele Gemeinden – vor allem in Ferienregionen – eine Einnahmequelle erschlossen, die deutlich über den tatsächlichen für diese Wohnung zuordenbaren Ausgaben der Gemeinden liegen. Dabei gehen einige Gemeinden bei der Erhebung oft nicht zimperlich vor.
Am 15. Oktober 2014 hat nun das Bundesverwaltungsgericht Leipzig gleich in zwei Fällen (Az.: 9 C 5.13, 9 C 6.13) die Erhebung der Zweitwohnungssteuer für Wohnungsinhaber an bayerischen Ferienorten untersagt. Nach den Urteilen darf die Zweitwohnungssteuer für eine leer stehende Wohnung nicht erhoben werden, wenn sie ausschließlich als Kapitalanlage und nicht auch für eigene Wohnzwecke oder als Wohnung für Angehörige vorgehalten wird.
Der Eigentümer einer 50 Quadratmeter großen Wohnung in Feldafing, die bis 2004 von seiner Schwiegermutter bewohnt wurde und seit dem leer steht, wurde trotz des Leerstands weiter mit der Zweitwohnungssteuer belastet. Er selbst wohnt nachweislich mit seiner Ehefrau etwa 300 Meter entfernt in einem eigenen Einfamilienhaus. Die kleinere Wohnung dient zwar als Kapitalanlage, stehe aber leer, weil der Eigentümer sie veräußern will, was ihm aber wegen noch nicht beseitigter Mängel und des bestehenden Streits mit dem Bauträger noch nicht gelungen ist. Nachdem sein Widerspruch gegen die Erhebung der Zweitwohnungssteuer bei der Gemeinde Feldafing erfolglos war, klagte er gegen den Bescheid vor dem Verwaltungsgericht München. Diese wies seine Klage zurück, die Berufung beim Verwaltungsgerichtshof in München hatte dagegen Erfolg. Die Berufung gegen dieses Urteil durch die Gemeinde Feldafing vor dem Bundesverwaltungsgerichtshof in Leipzig wurde nun im Sinne des Wohnungseigentümers abgewiesen.
Um einen ähnlichen Fall handelt es sich bei einem Wohnungseigentümer in der ebenfalls in Oberbayern gelegenen Gemeinde Bad Wiessee. Dieser wurde 2001 durch eine Erbschaft Eigentümer der knapp 70 Quadratmeter großen Wohnung, die seitdem leer steht und nur in kleinen Teilen möbliert ist. Die Wohnung dient auch in diesem Fall als Kapitalanlage und steht deshalb leer, weil der Eigentümer sie gegebenenfalls veräußern will, um die Pflegekosten für seine Mutter, die in einem Pflegeheim untergebracht sei, abzudecken. Nachdem der Widerspruch gegen den Zweitwohnungssteuerbescheid bei der Gemeinde Bad Wiessee erfolglos war, kam es auch hier zu den Klagen durch alle Instanzen der Verwaltungsgerichte.
Nach Ansicht der Leipziger Richter dürfe eine Gemeinde zwar zunächst von der Vermutung ausgehen, dass eine Zweitwohnung auch bei zeitweiligem Leerstand der persönlichen Lebensführung diene und daher zweitwohnungssteuerpflichtig sei. Diese Vermutung wird aber erschüttert, wenn der Inhaber seinen subjektiven Entschluss, die Wohnung ausschließlich zur Kapitalanlage zu nutzen, durch objektive Umstände erhärten könne. Dies gelte auch, wenn die Wohnung nicht vermietet sei, sofern dafür Gründe vorliegen. In beiden Fällen lag eine Mehrzahl solcher Umstände vor. So wurde in den betreffenden Wohnungen jahrelang kein Strom oder Wasser verbraucht.
Das Urteil kommt Wohnungseigentümern in ähnlich gelagerten Fällen entgegen. Sofern die Zweitwohnung aus nachvollziehbaren Gründen leer steht, empfiehlt es sich, gegen einen Zweitwohnungssteuer-Bescheid ihrer Gemeinde mit Hinweis auf die beiden Urteile und einem entsprechenden Nachweis des Leerstandes Widerspruch einzulegen.
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