Mit einer Verfassungsbeschwerde kämpft eine Mieterin aus München für die Verlängerung eines Räumungsschutzes. Sie ist psychisch krank und kann sich nicht um neuen Wohnraum kümmern. 



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Eine heute über 80-jährige Mieterin lebt seit den 1980er Jahren gemeinsam mit ihrem Ehemann in einer Wohnung in München. Derzeit wohnt dort auch deren volljähriger Sohn. Nachdem sich der Sohn mehrfach gegenüber anderen Bewohner:innen des Hauses fehl verhalten hatte, kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis.

Das Amtsgericht München bestätigte die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen und verurteilte die Mieterin, ihren Ehemann und den Sohn zur Räumung der Wohnung bis zum 31. Oktober 2022. Die Berufung der Mieterin wies das Landgericht München I am 19. Oktober 2022 zurück.


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Zwangsvollstreckung zunächst eingestellt

Als mit dem 26. Mai 2023 der Termin zur zwangsweisen Räumung feststand, stellte der Prozessbevollmächtigte der Mieterin einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO und forderte die Einstellung der Zwangsvollstreckung für sechs Monate. Den Antrag begründete er mit einem am 29. März 2023 erfolgten Suizidversuch der Mieterin, der zu einer stationären Aufnahme in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses geführt habe.

Daraufhin wurde die Zwangsvollstreckung bis zum 31. August 2023 einstweilen eingestellt. Zur Begründung verwies das Amtsgericht München (Abteilung für Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen) darauf, dass nach den vorgelegten Attesten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie im Hinblick auf die weiterbestehenden Rahmenbedingungen die Gefahr eines erneuten Suizidversuchs bestehe. Von den Räumungsschuldnern sei allerdings zu verlangen, dass sie alles Zumutbare unternähmen, um die Gefahr einer Suizidalität der Mieterin möglichst auszuschließen und bis zum 31. August 2023 eine Ersatzwohnung zu finden.

Gericht weist Verlängerung der Zwangsvollstreckung zurück

Ende Mai 2023 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Mieterin schriftlich, die Einstellung der Zwangsvollstreckung zu verlängern. Er bezog sich dabei auf ein nunmehr vorliegendes, am 26. Mai 2023 ausgestelltes Attest einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, wonach sich die Mieterin wegen einer Zustandsverschlechterung erneut in stationärer Behandlung befinde.

Doch das Amtsgericht München wies den Antrag zurück. Aus dem vorgelegten Attest gehe nicht hervor, dass sich gerade aufgrund der drohenden Räumung die gesundheitlichen Beschwerden der Mieterin erheblich verschlechtern würden. Eine weitere Verzögerung der Räumung könne den Gläubigern nicht zugemutet werden.

Prozessbevollmächtigter verlangt Begutachtung der kranken Mieterin

Gegen diesen Beschluss legte der Prozessbevollmächtigte der Mieterin sofortige Beschwerde ein und beantragte die Begutachtung der kranken Mieterin durch einen (internistischen) Facharzt.

In dem vorgelegten Entlassungsbericht des Krankenhauses gab es keine Hinweise auf eine akute Suizidalität. Die Patientin werde in psychopathologisch teilgebessertem Zustand entlassen. Der Prozessbevollmächtigte wies darauf hin, dass innerhalb der stationären Behandlung nicht mehr erzielt worden sei als eine Stabilisierung. Darüber hinaus legte er einen Befundbericht des behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie vor. In dem heißt es u. a. die Patientin sei mittlerweile so schwach und ängstlich, dass sie ihr Haus nicht mehr verlassen könne. In dieser Verfassung sei sie nicht in der Lage, sich um eine Wohnung zu kümmern.

Mieterin beruft sich erfolglos auf ihren Gesundheitszustand

Für das Landgericht München I kam eine Verlängerung des Räumungsschutzes nicht in Betracht. Die Mieterin berufe sich ohne Erfolg auf ihren Gesundheitszustand. Dabei werde nicht verkannt, dass sie insbesondere psychisch nicht unerheblich belastet und die Suche nach Ersatzwohnraum problematisch sei.

Doch weder der Entlassungsbericht des Krankenhauses noch der Befundbericht des Facharztes veranlassten aufgrund geänderter Sachlage eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Soweit die Mieterin vorbringe, sie könne sich an einer Wohnungssuche nicht beteiligen, rechtfertige auch das die Verlängerung des Räumungsschutzes nicht. Denn es sei nicht erwähnt worden, dass sich der Ehemann und der gemeinsame Sohn, die ebenfalls für die Wohnungssuche verantwortlich sind, intensiv darum bemüht hätten.

Gerichte holen kein Sachverständigengutachten ein

Der Prozessbevollmächtigte der Mieterin legte daraufhin Verfassungsbeschwerde ein und berief sich insbesondere auf das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Obwohl die vorgelegten umfangreichen Atteste keinen Zweifel am kritischen Gesundheitszustand der Mieterin ließen, hätten Amts- und Landgericht die Verpflichtung zur eigenen weitergehenden Sachaufklärung verkannt. Die Mieterin habe ausdrücklich die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, was nicht geschehen sei.

Auch der Verweis auf die Angehörigen bei der Hilfe zur Wohnungssuche sei nicht mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in Einklang zu bringen. Danach bestehe eine solche Pflicht zur Hilfe nicht; der Ehemann der Beschwerdeführerin sei aufgrund seiner psychischen und körperlichen Verfassung auch gar nicht in der Lage, bei der Wohnungssuche zu helfen.

Räumungsschutz bei drohenden Gesundheitsgefahren

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde geprüft und entschieden, dass der Beschluss des Landgerichts wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen sei.

Die einstweilige Aussetzung der Zwangsvollstreckung wird bis zu einer erneuten Entscheidung des Landgerichts über die sofortige Beschwerde der Mieterin verlängert.

 (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2023 - 2 BvR 1233/23)

Die hier enthaltenen Informationen sind unverbindliche Auskünfte (Irrtum vorbehalten).



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