Die Verschattung durch Bäume aus dem Nachbargrundstück ist häufig Anlass von Rechtsstreitigkeiten. An einem neuen Urteil des Bundesgerichtshofs lassen sich die Grundsätze erkennen, wie die juristische Grenzen einer Tolerierung festgelegt sind.
Laut BGH muss die Beeinträchtigung durch Bäume "wesentlich" sein.
1994 erwarb ein Ehepaar ein Grundstück mit einem nach Süden ausgerichteten Reihenhausbungalow in Bielefeld in Nordrhein-Westfalen. Ihr zehn mal zehn Meter großer Garten grenzt an eine öffentliche Grünanlage der Stadt Bielefeld. Dort stehen in einem Abstand von neun bis 10,30 Meter von der Grenze zwei rund 25 Meter hohe Eschen. Knapp 20 Jahre nach dem Immobilienerwerb verlangten die Grundstückseigentümer von der Stadt die Beseitigung dieser Bäume. Die Begründung: Ihr Garten werde vollständig verschattet und eigne sich deshalb weder zur Erholung noch zur Hege und Pflege der von ihnen angelegten anspruchsvollen Bonsai-Kulturen. Zum Zeitpunkt des Erwerbs des Hauses im Jahr 1994 sei das Wachstum der Bäume für sie nicht vorhersehbar gewesen. Derartig hoch wachsende Laubbäume seien auch mit einer konzeptionell nach Süden ausgerichteten Bungalow-Siedlung unvereinbar.
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Nachdem die Stadt dem Wunsch der Anwohner nicht nachkam, verklagten diese die Stadt, um die Fällung der Bäume zu erreichen. Doch das Landgericht Bielefeld wies die Klage ab, und auch das Oberlandesgericht Hamm wies die Berufung der Kläger zurück. Am 10. Juli 2015 bestätigte der Bundesgerichtshof (Az.: V ZR 229/14) dieses Urteil. Dabei ist die Urteilsbegründung für andere Betroffene durch Verschattung und Eigentümer großer Bäume interessant, weil die Grundsätze aufgezeigt werden, nach denen Nachbarn die Beseitigung von Bäumen verlangen können beziehungsweise eine Verschattung tolerieren müssen.
Ein Beseitigungsanspruch gemäß dem Gesetz setzt voraus, dass das Eigentum der Kläger beeinträchtigt wird. Nur dann, so das Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), kann der Eigentümer die Beseitigung der Bäume verlangen (§ 1004 Abs. 1 BGB): „Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.“
Nach Ansicht der Karlsruher Richter fehle es jedoch an dieser Voraussetzung. Eine Benutzung des Grundstücks in dessen räumlichen Grenzen ist im Zweifel von dem Eigentumsrecht des Nachbarn gedeckt.
Bestimmte Einwirkungen auf das benachbarte Grundstück können zwar durch den Nachbarn abgewehrt werden. Das Gesetz (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB ) sieht diese Abwehr jedoch nur vor, wenn diese Einwirkungen „wesentlich“ sind: „Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt.“ Dazu zählt auch nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, die bereits das Reichsgericht begründet hat, der Entzug von Luft und Licht als sogenannte "negative" Einwirkung nicht. Dies hat der Bundesgerichtshof im Hinblick auf Anpflanzungen erneut bestätigt.
Allerdings wird das Eigentum des angrenzenden Nachbarn durch den Schattenwurf von Pflanzen und Bäumen (im Sinne von § 1004 BGB) beeinträchtigt, wenn die in den Landesnachbargesetzen enthaltenen Abstandsvorschriften nicht eingehalten werden. Dies ist hier nicht der Fall, da der Abstand der Bäume zum Nachbargrundstück mindestens neun Meter beträgt. Nach dem maßgeblichen nordrhein-westfälischen Landesrecht für stark wachsende Bäume beträgt der vorgeschriebene Abstand nur vier Meter (§ 41 Abs. 1 Nr. 1a NachbG NRW) und ist daher gewahrt. Von einer Verschattung der Nachbarbäume betroffene Eigentümer empfiehlt es sich daher, die entsprechende Vorschrift in dem für sie relevanten Nachbargesetz ihres Bundeslandes zu überprüfen.
Ein aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis hergeleiteter Beseitigungsanspruch kommt mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Er setzt voraus, dass die Kläger wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Nachteilen ausgesetzt werden. Daran fehlt es, selbst wenn nicht auf die Verschattung des gesamten Grundstücks, sondern nur auf die der Gartenfläche abzustellen wäre. Das Gericht hält die Bepflanzung für den Kläger noch für zumutbar, weil es an einer ganzjährigen vollständigen Verschattung der Gartenfläche fehle.
Zu berücksichtigen ist zudem, dass öffentliche Grünanlagen zum Zwecke der Luftverbesserung, zur Schaffung von Naherholungsräumen und als Rückzugsort für Tiere gerade auch große Bäume enthalten sollen, für deren Anpflanzung auf vielen privaten Grundstücken kein Raum ist. Die damit einhergehende Verschattung ist Ausdruck der Situationsgebundenheit des Nachbargrundstücks, das am Rande einer öffentlichen Grünanlage gelegen ist.
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